In einer Berliner Kellerbar mit rustikalem Charme, finden Autoren und Poeten
einmal im Monat Gehör für ihre Texte. Wie die halboffene Kleinkunstbühne
entstand und was sie für Autoren bedeutet, berichten hier Initiatoren und Stammteilnehmer.
Vom Keller in die Welt
Angespannt gehe ich die Stufen zur Abbaubar in der Danziger Straße 50 im angesagten Berliner Kiez hinunter. Nachdem ich seit 16 Jahren Gedichte schreibe, will ich es heute endlich wagen und meine Gedichte live vor einem Publikum vortragen. Der Raum ist schon gut gefüllt, als ich ihn betrete und eine Dame, die ich später als Mitinitiatorin und Autorin Juliane Beer kennenlerne, spricht mich an, ob ich heute vortragen werde. Sofort bin ich mitten drin und Teil des Geschehens. Es gibt an der Stelle kein „Nein“ – ein Vorteil kleiner Präsentationsräume.
(v.l. Rolf Gänsrich, Wolfgang Endler, Juliane Beer)
Rolf Gänsrich hat die halboffene Kleinkunstbühne als Treffpunkt geschaffen. Er
selbst ist Journalist, Autor und mitreißender Moderator, den man seine Leidenschaft anmerkt. Seit vielen Jahren betreibt er Lesebühnen, aber erst seit 1 ½ Jahren hat CrazyWords einen festen
lokalen Standpunkt in der Kellerbar und auf Rockradio.de. Das Konzept ist einfach und deshalb erfolgreich:
Ein Mal im Monat bietet CrazyWords zwei Stunden lang eine Lesebühne für Literaturschaffende und
–interessierte. Die erste Stunde gehört Stammautoren, die über die Jahre zusammen gefunden haben und in der zweiten Stunde, steht die Bühne frei für alle, die ihre „verrückten Worte“ in Prosa,
Lyrik oder musikalisch untermalt, präsentieren möchten.
Diversität als Chance
Einer der lyrischen Stammgäste ist Wolfgang Endler, er sieht sich selbst als Textperformer,
dessen Gedichte vom Vortrag leben. Früher trat er häufig bei PoetrySlams auf und fühlt sich heute bei CrazyWords gut
aufgehoben.
Immer hat er viele Texte zu einem Sendetermin im Gepäck und lässt sich gern von den Schlagworten, die andere Dichter/Autoren mit ihrer Präsentation geben, leiten. Diese Eigendynamik und der
Überraschungsmoment, der sich dabei entwickelt, reizen ihn besonders, da er so auch immer ein Stück über sich selbst hinaus denkt.
Längst ist CrazyWords daher ein Teil des Entstehungsprozesses geworden: durch Themen die Andere beim Vortrag anregen, aber auch durch gezielte Produktionen für eine Sendung.
Wolfgang Endler ist ein Berliner Original: „Ich verstehe mich als Universal-Dichter, der die Welt nicht so lassen will, wie sie ist.“ Sein Leitspruch:
habe mir gestern endlich
zwei neue Stühle gekauft
genießerisch sitze ich jetzt
zwischen ihnen
Und da sitzt er nicht allein, jeder Dichter und Autor wird bei CrazyWords in seiner Einmaligkeit gelassen wie er ist. Es gibt keine negative Kritik, es gibt keine Beschränkungen: Von skurrilen Alltagsgeschichten bis zu melancholischer Dichtkunst ist bei der halboffenen Lesebühne alles erlaubt und alles gewünscht. Diversität belebt, das weiß Wolfgang Endler zu schätzen und hat keine Angst vor mehr Teilnehmer bei CrazyWords.
Kleine Bühne, großer Einfluß
Moderator und Dichter Rolf Gänsrich nutzt jede spontane Gelegenheit, die sich bietet, um seine Texte entstehen zu lassen:
Begebenheiten des Alltags, über Menschen, Dinge und Wundersames finden sich in seinem Repertoire. Auf die Frage nach dem Einfluss von Lesungen auf sein Schaffen, sagt Rolf:
„Mein Lyrisches Schaffen hat sich wirklich dadurch verändert, dass ich sowohl im Hörfunk, als auch in meinen Artikeln schneller auf den Punkt komme. Ohne die Kleinkunstbühne als Vorbereitung,
hätte ich mich auch niemals getraut, eigene Stadtführungen durch den Prenzlauer Berg anzubieten. […] dass es Zwischenfragen und keine Trennung mehr zwischen Bühne und Publikum gibt, sondern die
Leute um einen drum herum stehen, das zu erleben, hat mich auf der Bühne ruhiger werden lassen.“
Und auch für Co-Moderatorin Juliane Beer sind Lesungen in einem kleinen Rahmen ein persönlicher Gewinn: „Ich hatte/habe wahnsinniges Lampenfieber, was das Vorlesen vor Publikum angeht, konnte
die ersten Jahre meines Autorinnen-Daseins gar nicht auftreten. CrazyWords ist eine super Übungsarena für eine wie mich, weil die Sendung so locker ist.“
Eigenen Gedanken lauschen
Besonders diese Unverkrampftheit verhalf mir meine Feuerprobe zu bestehen. Zittrig habe ich meinen Einsatz abgewartet, bin dann nach vorn ans Mikrophon gegangen und habe meine drei vorbereiteten Gedichte vorgetragen:
Nicht jeder Dichter, der schreibt ist auch ein geborener Performer, aber ich möchte jeden ermutigen sich in seiner Nähe eine solche (halb)offene Lesebühne zu suchen und die Chance zu nutzen die eigenen Gedanken durch die eigene Stimme erklingen zu lassen. Der Applaus und ein lobendes Wort im Anschluss tun doppelt gut. Ich danke Rolf Gänsrich, für die Schaffung und Aufrechterhaltung solch wichtiger Begegnungsstätten für Autoren und Dichter und werde bei CrazyWords künftig häufiger der Vielfalt lauschen.
Leider wurde die Lesebühne CrazyWords 2017 eingestellt und hat eine große Lücke hinterlassen.
Mehr über das Schaffen der Initiatoren/Autoren:
Rolf Gänsrich
Juliane Beer
Wolfgang Endler