Die Ausstellung 'Radical Busts" zeigt 33 Büsten mit 'Poemen' der österreichischen Künstlerin Marianne Maderna
im Arkadenhof der Universität Wien (2. März bis 7. April 2015). Im Interview mit SternenBlick verrät Marianne
mehr über die Einheitlichkeit ihrer Kunstformen und die Rolle der Dichtung in ihrem Schaffen.
Im Anfang war die Neugierde
Wie man auf gewinnbringende Weise poetische Texte und Skulptur zu einer sich bedingenden und erweiternden Symbiose formen kann, zeigt die Ausstellung "Radical Busts" von Marianne Maderna
(rechts). Die österreichische Künstlerin präsentiert hier nicht nur 33 Büsten weiblicher Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kunst (wie Marie Curie, Camille Claudel, Virginia Woolf und Ingeborg
Bachmann), sondern zeigt darüber hinaus auch eine moderne Betrachtungsweise für Dichtung als Teil eines Gesamtkunstwerks.
Ich freue mich, dass Marianne Maderna sich sofort bereit erklärt hat für ein Interview mit SternenBlick, indem sie uns mehr verrät über ihre Arbeit an den Büsten, die Idee für ihre Ergänzung um
poetische Texte und ihre immer wache Neugierde als Basis für ihr Schaffen.
SternenBlick im Interview mit Marianne Maderna
Wie kam es zu der Idee, die Büsten um individuelle Gedichte zu ergänzen?
Inwiefern vervollständigt das eine Medium das andere zu diesem "Gesamtkonzept"?
Marianne: "Ich habe fast immer 'Alles mit Allem' vernetzt, gesehen. Die Sprache, die Skulptur, das Video, die Performance - Skulptur - ähnlich - mit der Geste - meiner Hand die zeichnet - Schreibwerkzeug - mein Gesicht - die Mimik - dem Singen der Worte. Alles Konglomerate. Nicht nur ein sondern auch mehrere Medien sind für eine adäquate Aussage einer Thematik für mich nutzbar.
So war das Schreiben einer Biographie dieser Frauenpersönlichkeiten für mich nicht möglich, weil sich so viele Querbezüge entwickelt haben, die auch aus der Selbsterfahrung entstanden sind. Eine Biographie schreiben entspricht einem 'objektivierten' Abbilden. Das hätte mich für das Formen der Skulptur als auch für das 'Beschreiben' und Reflektieren, dieser Persönlichkeit empfindungslos gemacht. Ich habe diese Frauenpersönlichkeiten selbst erleben müssen, um Sie mir in beiden Medien zu formen. Daher war diese Arbeit auch nicht vorsätzlich als 'Gesamtkonzept' gedacht. Ein systematisches analytisches Tun hätte mich nie interessiert, weil es auch nie in der 'Natur' dieser Personen gewesen wäre."
Ihr künstlerisches Schaffen hat diverse Kanäle zur Entfaltung in den bildenden Künsten
und Performance. Welchen Stellenwert hat die Dichtung in ihrem Schaffen?
"Für mich ist die
Dichtung, näher
dem Eigentlichen."
Marianne: "In meinen Poem, ist es nur mein 'Ungefähres'. Damit lässt sich das zu Beschreibende neu beschreiben, neu 'erfinden', als etwas nicht genau Bestimmbares, das trotzdem in seiner Umgebung bleibt. So gehe ich auch mit meinen Skulpturen um. Dazu gehört es Kunstwerke verschiedenster Zeiten zu kennen, zu reflektieren und mit Verwunderung betrachtet zu haben, um dann eigene neue Hüllen zu bilden, die die zu verkörpernden Personen oder die 'gesichteten' Themen beziehen können."
Sie haben sich individuell mit den Biographien der modellierten
Frauenpersönlichkeiten auseinander gesetzt. Was entstand zuerst -
das Gedicht oder die jeweilige Büste? Und wieviel Zeit benötigte es um Gedicht und Büste zu fertigen?
Marianne: "Was zuerst entstand? - weder Henne noch Ei, - beides. Ich weiß nicht wer den Anfang 'TAT' – die erste Tat ist die Neugierde. Diese Persönlichkeiten haben mich ganz
leicht einfangen können, denn ich war Sie im Moment des Gefangen-Werdens. Das hängt mit der Sympathie zusammen. Des Daran-Selbst-Erkrankt-Seins, eines sich darin Wiederfindens? Einige Personen
konnte ich nicht 'verkörpern', weil ich sie nicht reflektieren konnte, vielleicht nicht verstanden habe. Es ist ein schauspielerischer Akt der auf der eigenen Bühne und dem darauf lastenden
Gabentisch stattfindet.
Die Dauer einer solchen Verkörperung ist irrelevant. Am Anfang von so einer umfassenden Arbeit ist Alles schlecht. Die Skulptur, um deren Art man rätselt und deren 'Kippen' aus vorpräparierten
Gleisen man sich herbeisehnt.
Dann das Poem, derem Biographischem man entkommen möchte. Also eines ist dann nur wichtig: Allem Gesehenen und Gehörten entkommen wollen, um dann Alles zu verwerfen, wegwerfen und das
Ganze nochmals machen bis es feiner wird – ohne 'Polierung' – einfach in Allem noch feiner und adäquater.
Am Projekt RADICAL BUSTS arbeite ich schon ca. 5 Jahre. Ich werde es noch erweitern. Doch werden mir immer weniger 'Verkörperungen' möglich sein."
Würden sie sich selbst als Dichterin bezeichnen?
Seit wann nutzen sie die gebundene Sprache als Möglichkeit ihre Gedanken/Ideen zu kanalisieren?
Marianne: "Ich bin keine Dichterin nur Multimedia-Artist. Ich liebe diese Chance in unserer Zeit alle 'Farbtigel', alle 'Erden' verwenden zu können. Die Welt ist ja in Allem vernetzt; Ein einziges Konglomerat, in dem wir ein Teilchen sind, uns darin bewegen und bewegt werden."
Sind Sie generell der Ansicht, dass es gewinnbringend ist,
Dichtkunst und visuell erfahrbare Kunst zu koppeln.
Wird es künftig weitere Projekte in diese Richtung von Ihnen geben?
Marianne: "Von 'gewinnbringend' erwarte ich mir nur insofern etwas, dass meine Arbeit Menschen interessiert, zum 'weiterspinnen' verhilft.
In meiner 2013 bei Zeitkunst realisierten Installation HUMANIMALS, habe ich mit noch viel größerem Medieneinsatz, wie Skulptur, 3D Video, Sprache, Stimme, Klang und Performance, die sich
überlagernden 'Lasuren' hierarchischer Systeme veranschaulicht.
Auch in diesem Sinn ist dieses neue Projekt RADICAL BUSTS zu sehen, das sich in Person und deren Neuverkörperung - als Büste und deren Poem - in 'Her-Story' und nicht als 'His-story' weitermachen
lässt.
Das was ich mir in der Folge von diesem Projekt an sich erwarte, dass sich RADICAL BUSTS auch in die 'weite Welt' hinaustragen lässt, dass Her-story ein Gesicht bekommt als 'Her-Story-Face'."
INGEBORG BACHMANN
Ich schildere Persona – Dein Gesicht
Schwingungen der Stimme im Monoton
als wäre Stimme – Instrument Melancholie
und immer Du lächelnd in Fröhlichkeit des Kindes am See
Dein Lächeln erstarrte nie
nie gebrochene weitergeführte Kindheit
KindlichkeitsBastionen
Kompositionsgesprochenheiten
SezierungsRaum-Schweben – UND:
die Liebe schenkte die Sonne
die Pflanzen Bäume – die Natur
immer auf Suche trotzdem
nach eigenen Naturen im Anderen
geträumt dass Einer...
die Lust in Deiner Unterlippe
nie befriedigt – SeelenKörperLust
immer entfernter werdend
es waren Lieben sagt man – UND:
Briefe Briefe – Worte Worte
Schlachthaus Deiner derer
kaputt gegangen zerronnen
Alkohol Nikotin Tabletten
RauschTränensäcke
eingraviertes Lächeln in fette Backen
in Stille der Nacht
Alkohol lässt schreiben herausschreiben
hinterlässt Dunkles
die Dunkelheit begleitende Chimären der Ängste
sich verbrennen – Dich empfindungslos gemacht
TablettenTabletten und Ruhe im System
ich habe nie Dein verendetes Portrait gesehen
Wo das Eigene dann?
Marianne Maderna
Ich danke Marianne Maderna für diesen Einblick in ihr Schaffen und die erhellenden Antworten.
Mehr über den Genderaspekt der Ausstellung erfahrt ihr auf der Uni-Seite.
Verpasst nicht die Gelegenheit Euch noch bis zum 17. April 2015 die Ausstellung
'Radical Busts' im Arkadenhof der Wiener Universität persönlich anzusehen.
Mehr zur Künstlerin und ihre nächsten Projekte findet ihr auf www.mariannemaderna.com
*Danke an Paris Maderna und Patricia Gentner für die Bilder.