· 

Ein starker Claim braucht Klang

Marketingexpertin und Dichterin Rebecca Schmitt, zeigt uns in ihrem Gastartikel
den Einfluss von poetischer Sprache auf verkaufsanregende Werbebotschaften.

Mit Lyrik animieren

Tagtäglich begegnen uns geflügelte Worte, Sprichwörtliches und lyrische Phrasen. Sie denken an Goethe, an Schiller und an Lyrikbände, die in Kleinst-Auflagen erscheinen, da heute kaum jemand noch Lyrik liest, geschweige denn kauft. Die rückläufigen Lyrik-Publikationen bedeuten jedoch nicht, dass Lyrik niemand mehr will und braucht. Sie ist allgegenwärtig und ziert unseren Alltag auf Litfaßsäulen, Online-Bannern und in TV-Werbespots. Marken und insbesondere deren Claims leben von lyrischen Kunstgriffen.

Der moderne Werbeclaim - was ist das anderes als die zeitgemäße Aktualisierung der Lyrik? Der Spiegel unseres Zeitgeschmacks, der vormals Lyrik war, ist heute Werbeclaim. Eine Werbeanalyse der Kinowerbung der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2011 ist ein gutes Beispiel. „Seien Sie anspruchsvoll" fordert der Claim und lässt das Produkt mit „Täglich mehr als eine Antwort" erwidern. Das ist ein Versprechen, das die Süddeutsche Zeitung ihren Kunden nach 42 Sekunden audiovisueller Lebenssymphonie gibt.

Eben diese Symphonie aus Bild, Klang und Sprache ist es, die die Lyrik in den Vordergrund rückt. Es gäbe viele Möglichkeiten die Bilder zu betiteln, doch der Werbeclip „Seien Sie anspruchsvoll" wählt ganz bewusst einen poetischen Grundton. Dieser offenbart sich in Formulierungen wie: „Wer Augen schließt, um Schönes nur zu sehen, der wird den Blinden gleich und vieles ihm entgehen." Eine Sprache, die wir in Gedichten erwarten, wirkt überraschend neu in der Markenkommunikation. Die praktische Umsetzung untermalt die theoretische Forderung: „Seien Sie anspruchsvoll".

Die Quintessenz daraus besagt: Ein merkwürdiger Claim braucht Klang, sofern er differenzieren soll. Ein Claim braucht mehr als eine Lesart. Er braucht Tiefgang und das Quäntchen Lyrik, das an die Seele appelliert.


 

Rebecca Schmitt ist Dichterin und Marketingexpertin.
Einen interessanten Mix aus ihren beiden Leidenschaften,
befindet sich in ihrem Buch "324 Buchtitel" oder "Mängelexemplar".
In ihrem Blog "Mythenmarketing" gibt es weitere spannende Artikel.



Kontakt

SternenBlick e.V.
z.Hd. Stephanie Mattner
Postfach 20 01 41
13511 Berlin
kontakt@sternenblick.org

Nutze auch gern unser
> Kontaktformular

Newsletter

Verpasse keine wichtige Ausschreibung, Publikation oder Neuigkeit mehr von SternenBlick:

Werde Förderer

Unterstütze uns mit nur 30 Euro pro Jahr die zeitgenössische Poesie zu erhalten und zu fördern. Als Fördermitglied von SternenBlick profitierst du ausserdem von mitgliedsexklusiven Publikationen und Vergünstigungen bei Buchkäufen.